Gesellschaft für
christlich-jüdische Zusammenarbeit
Lüneburg e.V.
Mein Name ist Resi Varley, ich wurde 1930 in Lüneburg geboren und bin dort auch aufgewachsen. Zunächst wohnten meine Mutter und ich in der Schrangenstraße, später in der Kuhstraße. Ich besuchte die Heiligengeistschule und später die katholische Schule. Nach Schulschluss war ich im Kinderhort am Marienplatz. Nachmittags hielt ich mich, wie so oft, mit anderen Kindern in der Innenstadt auf, sie war unser Spielplatz, wir streiften überall umher.
Am 10. November 1938 fiel mir auf, dass in der ganzen Stadt Unruhe herrschte, die Stadt war in Aufruhr, es gab auch Schlägereien. Mehr „braune Uniformen“ als sonst waren unterwegs, sogar Pimpfe. In der Bäckerstraße gab es einen Auflauf, neugierig lief ich dort hin. Vor dem Kaufhaus „Gubi“ hatten sich viele Leute versammelt, auch dort sah ich braune Uniformen.
Eine Frau zog mich von der Menge weg in den Hausflur gegenüber zwischen einem Tabakgeschäft und einem Süßwarenladen und hielt mich zurück. Aus dem Inneren des Kaufhauses Gubi hörte man von unten und oben Klirren und Krach.
Draußen wurden die Schaufenster eingeschlagen, und eine große Menge Bonbons fielen auf den Gehsteig davor. Die Passanten, auch Kinder, sammelten sie auf. Ich konnte das nicht, ich war verwirrt von dem Geschehen. Mir kam es unrecht vor, diese Bonbons mitzunehmen, da ich das Geschäft sehr schätzte, weil die Waren dort günstig waren und mir so manches gekauft wurde, was wir uns in anderen Geschäften nicht hätten leisten können. Zudem war man dort immer freundlich zu Kindern, wir durften uns im Geschäft aufhalten und die Auslagen ansehen.
Auch das absichtliche Zerstören der Scheiben durch Erwachsene war geradezu unheimlich für mich, wurde mir doch stets vorgehalten, vorsichtig beim Spielen zu sein und keine Glasscheiben mit dem Ball kaputt zu machen. Dass nun gerade Erwachsene so etwas mutwillig taten, konnte ich nicht verstehen.
Ich habe diese Eindrücke nie vergessen können.